STIMMEN SIE FÜR EINEN NEUANFANG?

Falsche Denkansätze
Die gegenwärtigen öffentlichen Diskussionen über die wichtigsten politischen und gesellschaftlichen Probleme gehen alle am Kern vorbei – wahrscheinlich unbeabsichtigt, was die Lage aber nicht hoffnungsvoller macht. Staatsverschuldung, Auslandseinsätze, Sozialprogramme, Arbeitslöhne, Immigrationsprobleme, Familienpolitik, u.s.w. als Profilierungs-Gelegenheiten, weniger als Chancen für Lösungen im Sinne der Philosophie eines ethischen Objektiven Realismus. Der eine Grund ist, dass die politische Elite nach traditionellen Methoden Lösungen sucht: Also isoliert sachbezogen und von den bestehenden Situationen ausgehend. Dabei werden gegenwärtige Strukturen und Machtverhältnisse akzeptiert, welche doch den politischen und sozialen Fehlern gerade zugrunde liegen. Somit werden neue Entscheidungen von gegebenen Verhältnissen belastet und die eigentlichen Ursachen der Missstände hegemonisiert.

Kritisches Hinterfragen und Analysieren der Vorgeschichte und Entwicklungen wird als Abweichlerei und parteiliche Untreue verurteilt. Dogmen und Prinzipien, welche sowieso dem Wandel unterworfen sind, werden zu Lasten von Wahrheit und Ehrlichkeit vorgezogen. Kaum ein führender Politiker ist je bereit, bei einem im Morast steckenden Wagen den Rückwärtsgang einzulegen; lieber wird nochmals Vollgas gegeben – oder der Wagen wird einfach stehen gelassen und ausgetauscht. Das bringt uns zu dem zweiten – und weitaus wichtigsten Problem: Es fehlen Verantwortung, Ethik und ein funktionierendes Wertesystem.

Grundgesetzliches
Die meisten Probleme und Fehler
(obwohl nicht alle) deutscher Parteien und ihrer Politik sind schon in der Verfassung verankert. Der größte Nachteil den wir z.B. gegenüber den Amerikanern haben, ist unser Wahlrecht. Während in den USA wenigstens der Kandidat mit den meisten Stimmen gewinnt, wird bei uns das Ergebnis durch ein überholtes Verhältniswahlrecht schamlos manipuliert. Durch grotesk anmutende, erzwungene Koalitionen werden Konflikte programmiert und der Wähler mit faulen, missgebildeten und zum Scheitern verurteilten Kompromissen belastet. Somit bleiben die Politiker in ihren Ämtern und werden noch mit Alibis versorgt für das spätere Scheitern eines einst gepriesenen Programms. Das Volk, für das die Wahl ein Versprechen auf Verbesserung der bestehenden Zustände war, geht leer aus. Am Ende bekommt keiner etwas für das er gestimmt hatte und muss noch die Rechnung für die verstümmelten und oft widersprüchlichen Verordnungen zahlen (siehe “ANATOMIE DER KOMPROMISSE”, Januar 2013)

Unser Grundgesetz legt im Sinne zwar die Macht der Nation in den Schoß seiner Bürger, nimmt sie aber durch die Regularien des Wahlrechts und des Parlamentarismus wieder aus ihren Händen und übergibt sie de-facto einem “Staats-Roboter”. Die Bundestagswahl verbleibt lediglich als Alibi einer Schein-Demokratie und überlässt die Bürger der 4-jährigen Willkür der Koalitionen einer gesellschaftlichen Elite mit nicht nur zweifelhafter Kompetenz: schlimmer noch – mit fehlerhafter Ethik. So wird nicht nur die Macht im Namen des Volkes willkürlich verwaltet, sondern auch der Wille der Bürger – ein Bestätigungssystem an Stelle einer echten Wahl. Vergleicht man nun das politische System der Deutschen mit dem gesellschaftlichen Konzept der amerikanischen Republikaner, bleibt doch lediglich nur der kleine Unterschied zwischen dem Glauben an Gott und dem an den Staat.

Natürlich soll das gegenwärtige Wahlsystem den alleinigen Aufstieg einer einzelnen Partei und besonders eine erneute Machtergreifung eines Einzelnen verhindern. Das tut es auch. Allerdings verhindert unser „Wahl-Recht“ auch seit langer Zeit die Einführung vernünftiger Gesetze und realitätsgerechter Reformen. Artikel 1 des Grundgesetzes stellt fest, dass die Würde des Menschen unantastbar sei. Dieses Hauptanliegen der Autoren unserer Verfassung, zu einem Neuanfang der kurz nach Zeiten massiver Gräuel und Ungerechtigkeiten begann, ist verständlich. Man wollte eben aller Welt zeigen, dass man von jetzt an die Menschen gerecht und mit Achtung vor rechtlichen Prinzipien behandeln wolle. Damals hatte man wohl übersehen, dass es bei einer Deklaration von solchem Gewicht und Tragweite, auch philosophischen Grundlagen und moralischer Definition bedarf. So besehen, wird ein Mensch zwar mit einigen elementaren “natürlichen” Rechten geboren, aber nicht mit dem Attribut der Würde. Würde erwirbt sich der Mensch durch Akzeptanz der Selbstverantwortung, seiner Produktivität und dem Aufbau des daraus entstehendes Wertesystems und seiner Ethik. (Aristoteles: Menschen werden erst durch Zielsetzung zum ethischen Handeln fähig.) Entzieht der Staat dem Bürger weitgehend diese Verantwortung, dann verliert der Mensch logischerweise auch die wesentlichen Eigenschaften der Würde.

Erneuerung der Selbstverantwortung
Ein neues Wahlrecht
, das eine einfache Mehrheit für unsere Parteien und eine Direktwahl des Bundeskanzlers verschreibt, würde natürlich revolutionäre intellektuelle Änderungen in unserer Gesellschaft voraussetzen, und damit ein grundsätzliches Umdenken der Stellung sowie der Geisteshaltung ihrer Bürger. Diese Umstellungen wären tiefgreifend: Allem voran die Erkenntnisse, dass die bestehenden altruistischen Sozialstrukturen in Wirklichkeit zutiefst unmoralisch sind und jeder Mensch für sich selbst verantwortlich sein muss. Erst diese Selbstverantwortung, ermöglicht dem Einzelnen einen eigenen ethischen Standard, welcher ihm wiederum ein moralisches Handeln erlaubt.

Der Mensch ist ein Produkt seiner selbsterschaffenen Werte. Der Altruismus (Sozialismus / Kollektivismus) lässt jedoch das Konzept eines selbständigen Menschen nicht zu, der sich durch eigenen Antrieb versorgt und weder sich noch andere opfert. Altruismus lässt nur eine Definition des Lebens zu, in der es nur entweder Opfer oder Parasiten geben kann, also kein Konzept der wohlwollende Koexistenz, und deshalb auch keine Gerechtigkeit. Kein Politiker wird es wagen zuzugeben, dass zwei Menschen eben nicht dadurch ebenbürtig werden, indem einer sein Vermögen mit dem Erfolglosen teilt; im Gegenteil wird dadurch der Unterschied erst formalisiert (siehe “MIT HARTZ IV INS MITTELALTER”, Nov. 2012).

Der Deutsche müsste sich zunächst von seinem geliebten, aber widersprüchlichen Begriff der “sozialen Gerechtigkeit” verabschieden. Es gibt diese sowenig wie den Weihnachtsmann oder den Schatz der Nibelungen. Gerecht ist juristisch definierbar innerhalb einer rechtsstaatlichen Gesetzes-Struktur. “Sozial” ist ein moralisch geladenes Adjektiv von flexibler, ideologischer, verhältnismäßiger Bedeutung und raubt damit dem Nomen seine Bestimmtheit. Recht kann also sozial ungerecht sein und Unrecht sozial gerecht. Der “sozial Gerechte” erhebt sich damit uber die Jurisdiktion des Staates und sucht eine Moralität mit ebenso fraglichen Werten zu ersetzen. “Soziale Gerechtigkeit” ist also nichts anderes als die persönliche Sicht des Meinungsträgers. Die “sozial Gerechten” machen ihre eigene Moral, bei der Besitz und Status die einzig akzeptablen Kriterien sind.

Der Grund, warum viele Deutsche (insbesondere unsere Politiker) ihr Leben in einer Mixtur von Schuld und Zynismus verbringen ist, weil sie auf der einen Seite selbst nicht vom sozialen Altruismus überzeugt sind (Zynismus) – und auf der anderen, weil sie sich nicht getrauen dagegen zu handeln (Schuldgefühle). Die Ethik eines Objektiven Realismus legt dar, dass ein Mensch nicht für die Fehler oder Taten eines Anderen verantwortlich gemacht werden kann. Obwohl dieses Prinzip auch in unserer gegenwärtigen Strafgesetzgebung Anerkennung findend, wird unsere heutige Gesellschaft als Gesamtes und noch mehrere Generationen später, für vergangene Verbrechen verantwortlich gemacht.

Seit Bestehen der Bundesrepublik gibt es also scheinbar zwei parallele Rechtssysteme: das eigentliche, welches unsere Gesellschaft und ihre Konflikte nach 1945 regelt und eines für die Verarbeitung der „Jüngsten Vergangenheit“. Solch ein dualer Rechtszustand muss aber philosophisch und ethisch unvereinbar sein, solange ein Rechtssystem aus moralischen Prinzipien aufgebaut sein soll. Wenn es also rechtens ist, dass diese „Alt-Schulden“ zwar noch auf die heutige Generation übertragen, aber vom Staat gewissermaßen im Namen des einzelnen Bürgers akzeptiert und ausgeglichen werden, was hält den Einzelnen davon ab, gegenwärtige Verfehlungen ebenso dem Staat zu übertragen? Genau um diese “Verantwortungsübertragung“ aber geht es in der heutigen Gesellschaft: Der Staat als wohlwollender Vormund des Bürgers – und Bürger, die verlernt haben, ethische Entscheidungen selbst zu treffen und sich für die moralische Richtungsfindung auf den Kompass des Staats verlassen.

Nach dem Böckenförde-Diktum des deutschen Staatsrechtlers und ehemaligen Verfassungsrichters Ernst-Wolfgang Böckenförde (1930 – ), kann ein freiheitlicher Staat nur bestehen, „…wenn sich die Freiheit, die er seinen Bürgern gewährt, von innen her, aus der moralischen Substanz des einzelnen und der Homogenität der Gesellschaft reguliert. Andererseits kann er diese inneren Regulierungskräfte nicht von sich aus, das heißt, mit den Mitteln des Rechtszwanges und autoritativen Gebots zu gewinnen versuchen, ohne seine Freiheitlichkeit aufzugeben und in jenen Totalitätsanspruch zurückfallen, aus dem er (…) herausgeführt hat.“

7 Gedanken zu „STIMMEN SIE FÜR EINEN NEUANFANG?

  1. Dazu zwei Aspekte
    1. Die USA ist insofern ein schlechtes Beispiel für Demokratie, weil dort nicht der beste sondern nur ein reicher Kandidat gewinnen kann und wie auch jüngst geschehen auch aussichtsreiche Kandidaten nach cowboy-Art hinausgeboxt werden (absolut undemokratisch)
    2. es fehlt der Aspekt des Besitzstandes, der im heutigen System sozial benachteiligte vom Bildungssystem ausschließt und ein Kukucksnestverhalten zuläßt.
    Gerade letzteres macht die graue Theorie nachhaltig zunichte.
    Insofern ist es zwar dem Sinn nach so nachvollziehbar, jedoch nur unter der Voraussetzung, dass die Entfaltungsmöglichkeiten auch real vorhanden sind. Letzlich sind es wieder die Grenzen, welche diese neue Gesellschaft setzt, die entscheiden, ob sie frei oder unfrei sein wird.
    Einfaches Beispiel: Wenn ein Mensch der nichts hat, weil er arm geboren wurde und deshalb eine schlechte Schulbildung hat für sein Leben nicht sorgen kann (lebt nicht autark) an seinem Schicksal selbst schuld?
    Also auf welcher Basis kann oder soll das geschehen?

    • Ihrem Kommentar fehlen die Syllogismen. In welchem System findet Ihr letztes Beispiel statt?
      Bei Geburt sind wir alle nackt, arm und ahnungslos. Jetzt muessen Sie noch Ihre Definition von „Schicksal“ mitteilen.

      „…Also auf welcher Basis kann oder soll das geschehen…?“ Sagen Sie es uns.

      • Bisher in jedem System, bei dem es Eigentum gibt und das „zivilisiert“ ist. BSP. dafür sind Kasten, Adel, Dynstien etc. bzw. die dazugehörenden Mittellosen aus Knecht oder Sklavenverhältnissen entstammend.
        Dazu muß ich erst mal das hier dargebotene Verstehen. Ich denke das ist eher der Part des/der Verfasser.
        Das Schlüsselwort hierzu heißt Chancengleichheit.

    • Hallo! Vielen Dank fuer Ihr Interesse an dem Blog!
      Ihre Fragen sind essentiell und wichtig.
      Zu „a)“: Ich denke leider nicht. Dazu braeuchte es eine kulturell homogenere Gesellschaft.
      Zu „b)“: Nicht unmoeglich, aber das hinge wohl auch von aeusseren Faktoren ab, z.B. ob supranationale Institutionen (EU) oder der westliche Imperialismus es zulassen wuerde.
      Das oberste Ziel der Maechte ist ja gerade die Schwaechung des Individualismus und der natuerlichen Faehigkeiten des Einzelnen. Fuer den Westen im allgemeinen und Deutschland im besonderen bin ich pessimistisch.
      Alles Gute.

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